LETZTE TAGE UND STUNDEN

Am Sonntag, 30. Dezember bekamen wir Besuch von Freunden. Janna trank schon den ganzen Tag immer schlechter. Nachts dann praktisch gar nicht mehr. Als sie morgens dann auch dunklen, sehr schleimigen Stuhl hatte, beschlossen wir, nach Gießen zu fahren.

Dort wurde sie untersucht, aber es wurden keine Auffälligkeiten festgestellt. Trotzdem sollte sie zur Beobachtung da bleiben. Der Abschied fiel schwer, aber wir wussten sie in der Klinik gut aufgehoben.

Am Dienstag blieben Freunde bei Lennart, so dass wir wieder zu Janna fahren konnten. Es wurde festgelegt, dass am Mittwoch noch mal ein Herzkatheter gemacht werden sollte.

Am Mittwochmorgen, als wir kamen, schallte der Prof gerade und meinte, sie würde kathetert werden, aber er wisse nicht, ob er etwas machen könne. Er würde sehen, dass es ihr nicht richtig gut geht, aber er sehe keinen wirklichen Grund dafür. Nach dem Katheter sprach er mit uns und meinte, dass er nichts gemacht habe. Heute wissen wir, dass es ihm zu gefährlich war. Er erklärte uns dann, dass Janna bis zur vorgezogenen OP vorraussichtlich in der Woche ab dem 14. Januar in der Klinik bleiben sollte.

Nun, da es Janna nach dem letzten Katheter nicht so gut ging, beschlossen wir, dass ich in Gießen bleiben sollte. Als ich abends noch mit Freunden telefonierte, meinte ich, dass es gar nicht nötig gewesen wäre, denn es ging ihr richtig gut. Sie trank schon wieder und schaute ganz viel.

Um 2 Uhr in der Nacht weckte sie mich. Ich gab ihr die Flasche. Sie trank 65 ml, bäuerte und weinte. Sie weinte beim wickeln, sie weinte an der Flasche. Die Schwester meinte, dass wir den Rest sondieren sollten. Also sondierten wir. Sie weinte weiter. Sie beruhigte sich nicht wieder. Da meinte die Schwester, dass wir ihr ein leichtes Mittel zur Beruhigung geben sollten, damit sie schlafen kann. Sie bekam das Mittel. Und auf einmal hatte sie einen Atemstillstand. Die beiden Nachtschwestern wurden sehr hektisch, riefen die Intensivstation, holten Hilfsmittel. Ich stand an Jannas Bett, legte die Hand auf ihr Herz, spürte es schlagen. Sah sie an, sie reagierte nicht, ich schrie, sie zuckte.

Dann kamen die Schwestern, ich musste aus dem Zimmer.

Etwa 5 Minuten später wurde sie auf die Intensivstation gebracht.

Man erklärte mir, sie hätte schon wieder alleine geatmet. Es würde sicher alles gut.

Es war 3.15 Uhr.

Um ca. 3.30 klingelte das Telefon. Sie bräuchten die Nummer vom Prof. Da wusste ich...

Frank und ich sprachen.

Ich wurde gegen 4.30 in die Intensiv geholt. Ein Arzt kam, meinte, sie sei einigermaßen stabil. Sie bräuchte aber starke Medikamente. Ich solle wieder auf Station gehen.


Gegen 6.30 kam der Arzt wieder. Meinte, Janna bekäme stärkste Medis, stärker ging nicht. Runterfahren hätten sie versucht, mit negativen Konsequenzen. Ich: wie lange kann man das machen? er: solange der Körper noch reagiert. Wir müssen warten.

Gegen 8 Uhr war Frank da.

Gegen 9 Uhr durften wir Janna sehen. Es war nicht mehr unsere Tochter. In 4 verschiedene Zugänge gingen 19 verschiedene Medikamente in ihren Körper. Sie wurde voll beatmet.

Gegen 9. 30 Uhr kam der Prof und meinte: Frau B..... ich wusste, was er sagen wollte. Er erklärte dann, dass die Säure im Blut ihre Organe und auch das Hirn angegriffen hätten und die Chancen bei unter einem Prozent liegen würden, dass sich ihr Herz noch einmal fängt. Die Medis erhielten sie am Leben. Sie wurde in der Nacht mehrfach wiederbelebt und nun würden sie wieder versuchen, die Medis etwas runterzufahren, aber es würde mechanisch nichts mehr gemacht werden. Wir waren einverstanden, aber es war ein sehr harter Weg. Obwohl wir es uns die ganze Nacht gedacht hatten.

Nun fing das Warten an, denn Janna fing sich noch mal. Die Schwester meinte dann immer, dass sich bestimmte Werte stabilisiert hätten usw.

Gegen 13 Uhr war Schichtwechsel und ein Pfleger betreute uns nun. Wir saßen hinter Sichtschutzwänden und er meinte, wir hätten einen schweren Weg vor uns.

Um 13.30 Uhr kam dann die Oberärztin und sagte: Frau B., wir geben Ihnen Ihre Tochter nun in die Arme. Die Blutwerte sind so schlecht geworden.

Janna wurde von bestimmten Dingen abgekabelt. Sie kam auf meinen Arm. Frank streichelte ununterbrochen ihren Kopf. Ich redete und redete. Sie schalteten nach und nach die Medis ab, zogen zuletzt den Beatmungsschlauch. Wir wissen nicht genau, wann Janna eingeschlafen ist, denn sie war nicht mehr bei Bewusstsein, aber ich habe geredet. Ich erzählte ihr von Lennart und dem Leben, von den Engeln und dem lieben Gott. Von unserer Liebe und den vielen Menschen, die an sie denken. Und dass wir sie gehen lassen. Frank ließ immerzu die Spieluhr laufen mit Lalelu... wir haben geweint, aber wir haben loslassen können. Es ging schnell...

dann durften wir sie noch lange halten.

Wir wurden in einen anderen Raum gebracht. Der Pfleger war uns eine große Hilfe. Wir hatten sehr viel Zeit und Ruhe, um Abschied zu nehmen. Dann kam die Ärztin und sprach mit uns. Sie hat viele Dinge gesagt. An eines werde ich mich immer erinnern: Wir reichen den Kindern eine Hand. Die meisten greifen danach. Manche lassen wieder los. UND: Zum Glück sind die kleinen Menschen doch noch selbstständig und entscheiden manche Dinge ganz allein.

Der Pfleger half uns beim waschen und anziehen. Janna trägt ihre eigenen Sachen. Ich habe ihre Haare gewaschen und extra gewuschelt, denn glatte Haare hatte sie ja nie...

Es war ein sehr würdevoller und friedlicher Abschied.


Am Montag bei der Beerdigung stand ein Bild von ihr, ihr Puppe saß am Sarg und wir hatten rote Herzluftballons rund um den Sarg platziert und überall waren viele bunte Blumen...


Ich vermisse sie, aber sie hatte einen "schönen" letzten Weg, denke ich. Und ich bin unendlich dankbar, dass ich sie halten und begleiten durfte. Und dass ich ausgerechnet in dieser Nacht bei ihr war...

Tja, warum sie gegangen ist? Wahrscheinlich hat sie sich beim Trinken verschluckt. Ich habe davon nichts gemerkt, aber es bewirkt wohl, dass das Herz langsamer schlägt. Das hat bei ihr einen Dominosteineffekt ausgelöst und sie hatte vermutlich einen Herzinfarkt dadurch! Es ist aber eigentlich auch egal...

das WIE war uns wichtig, nicht das WARUM... und das WIE war so, wie man es sich "wünscht", wenn ihr versteht, was ich meine.

Der Prof war sehr einfühlsam und meinte, dass es ihm so leid tue, sie hätte so gekämpft und es wären nur noch 10 Tage gewesen.

Der Pfleger sagte, dass wir Janna so einen schönen Abschied bereitet hätten, wie er es selten erlebt. Das tut gut, wisst ihr...


Ja, nun ist es lang geworden, aber es musste raus. Ich muss auch nicht mehr weinen beim erzählen/schreiben, sondern bin sehr friedlich. Wir sind sehr sicher, dass sie die OP wahrscheinlich nicht geschafft hätte. Wenn ich mir vorstelle, dass die rausgekommen wären und hätten gesagt: Janna ist tot... nein, das will ich mir nicht vorstellen...


Ich vermisse meine Maus unglaublich, aber die Gewissheit, dass es ihr dort, wo sie ist, besser gehen MUSS; das beruhigt mich und gibt mir Kraft!

Ich liebe dich, mein Schatz